Das Imkern bzw. die apistische Tradition in Deutschland stellt sich im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn sichtbar anders dar. Im Deutschen Bienenjournal 2/2022 werden die EU-weit erfassten Zahlen aus 2020 dargelegt. Im Folgenden bekommt Ihr eine ausgewählte Schilderung auf Basis der Zahlen, die dem DBJ entnommen sind, sowie meine daraus resultierenden Überlegungen, die um die eine oder andere Zahl angereichert ist. Bereichert diesen Beitrag gerne um Eure Perspektive, die Du in den Kommentaren teilen kannst (am Ende des Artikels unten).
Mögen die Zahlenspiele beginnen 😉
„meisten Imkereien in der EU“
In Deutschland gibt es 129.048 gemeldete Imkereien. Damit belegt Deutschland den ersten Platz in der EU (Gesamtzahl in der EU gemeldeter Imkereien: 615.058). In Deutschland existieren also 21% der in der EU gemeldeten Imkereien.
Wie deutlich der „Vorsprung“ ist, zeigt sich bei einem Blick auf den zweiten Platz, den Polen mit 74.302 gemeldeten Imkereien belegt sowie auf Platz 3 Tschechien mit 61.572 Imkereien einnehmen.
Allerdings ist das nicht die ganze Wahrheit…
„Deutschland [ist] EU-weit der Hauptimporteur, gefolgt von Polen“
Die meisten Imkereien, und gleichzeitig der größte Importeur von Honig, das ist Deutschland 😉 Natürlich sind die Zahlen mit Vorsicht zu genießen, wer in welchem Land was meldet, wie das erhoben wird etc. Nehmen wir mal an, die Zahlen wären zumindest repräsentativ, dann ist entweder unser Bedarf immens groß oder… bei der…
„…durchschnittliche Völkerzahl pro Imkerei…“
„…dümpelt Deutschland mit sieben Völkern… auf dem letzten Platz.“ Daraus folgt, dass wir zwar viele Bienenhalter haben, selbige aber in der Regel die Imkerei als Hobby betreiben und keine „Arbeit“ investieren wollen. Sieben Völker sind als Hobby händelbar, wobei sechs tatsächlich etwas effizienter wären (wegen Futterkranzprobe, die für maximal 6 Völker erstellt werden kann).
Anders gesagt: viele Interessierte & viel Sensibilität für die Thematik, dafür wenig(er) Professionalität.
Oder aber: ein anderer Ansatz.
Laut D.I.B.-Mitgliederstatistik von 2021 haben 96% der Imker*innen 0-25 Völker, 3% betreuen 26-50 Völker und 1% hat mehr als 50 Völker bei knapp 22% weiblichen Imkerinnen.
Ein Blick in die EU-Statistik
Dummerweise kann die Datengrundlage für den Artikel im DBJ 2/2022 nicht eindeutig nachvollzogen werden, da der Quellennachweis leider nicht nachgewiesen ist. Nach kurzer Suche bin ich auf die folgende Darstellung der Europäischen Kommission gekommen über „Nationale Imkereiprogramme„. Dort finden sich die Durchführungsberichte „über die Umsetzung der nationalen Imkereiprogramme“ der EU-Mitgliedstaaten.
Im Gegensatz zur obigen, feingliedrigen Differenzierung (D.I.B.Zahlen) wird auf EU-Ebene lediglich bei der Haltung von mehr 150 Bienenvölkern differenziert. Man könnte also schlussfolgern, dass dies die Anzahl an Völkern für eine professionelle Berufsimkerei aus der Perspektive der EU ist. Folgte man dieser Differenzierung, ergäbe dies für Deutschland, dass wir 160 Berufs-Imkereien hätten bei einer Gesamtzahl von Imkern, die in Vereinen organisiert sind, von 129.048;
Das wären 0,0012 % der Imkerschaft – schon nochmal deutlich weniger als wenn man der Differenzierung des D.I.Bs folgt, der eine berufs-professionelle Differenzierung bei 50 Bienenvölkern ansetzt und dieser Gruppe dann 1% (im verbalisierten Teil „unter einem Prozent“) der Imkerschaft zuweist.
Deutscher Berufs und Erwerbsimkerbund e.V.
Für einen Vergleich mit den Zahlen des „Deutscher Berufs und Erwerbs Imker Bund e.V. (DBIB)“ (sic.) wird wiederum ein neuer Referenzrahmen eröffnet; hier liegt der Wert bei 30 Völkern. („Ab einer Völkerzahl von 30 ist diese Mitgliedschaft verpflichtend.“, Quelle: Website des Bundes: Berufsimker.de). Dies ergibt sich aus der Zielgruppe, die als „erwerbsorientierten Imker“ definiert ist, dem Steuerrecht folgend also eine Völkeranzahl von mehr als 30 Völkern bewirtschaftet. Die Mitgliedszahlen des DBIB liegen aktuell laut der Darstellung auf der vereinseigenen Website bei 6.500 Mitgliedern, die im Schnitt 60 Völker bewirtschaften. (Leider ist ein Jahresbezug zu den präsentierten Zahlen nicht gegeben). Folgt man dieser Rechnung bewirtschaften die Mitglieder 390.000 Bienenvölker. Laut EU-Statistik haben wir in Deutschland knapp 888.000 Völker, bleiben für den reinen Hobbyimker mit einer maximalen Völkeranzahl von 25 bzw. 30 Völkern 490.000 betreute Völker übrig.
Legt man die Zahlen des D.I.B. bzgl. der Zielgruppe daneben, wären es 4% der Imkerschaft, die diese Gruppe der (Neben-)Erwerbsimker bilden (3% der Imker mit mehr als 25 Völker, sowie 1% mit mehr als 50 Völkern). In Zahlen: mit den EU-Referenzwerten von 129.048 registrierten Imker*innen wären 4% 5.162 Imker*innen. Diese 4% halten fast die Hälfte der deutschen Bienenvölker.
Andersrum: 123.886 Hobbyimker*innen betreuen eine Anzahl von 490.000 Völker, im Schnitt also knapp 4 Völker.
Meine persönliche Grenze für den Hobbybereich würde ich bei 15, spätestens bei 20 Völkern ziehen. Bis dahin kann man unfassbar viel Zeit investieren, und den ganzen Spass gerade noch als Hobby betrachten. Ab 20 Völkern, wenn nicht sogar schon ab 12 oder 15 beginnt sich das Hobby zur Arbeit auszuweiten. Marcel und ich sowie andere mehr haben da ganz ähnliche Erfahrungen gemacht, wie Du in unserem subjektiven Recap bei Howtobee.de in der Episode 16 nachhören kannst.
Selbstverortung – mein Platz im Großen
Ich persönlich nähere mich dem EU-Durchschnitt von 21 Völkern pro Imkerei an…
Das ist hier und da nicht wirklich gesund, höre Podcastepisode 16 von HowToBee, doch macht es einfach Spass, also die Bienenhaltung. Den Honig und die Weiterverarbeitung etc. überlasse ich gerne anderen. Wer sich also berufen fühlt, mir meinen Honig in Hobboks (ab 2,5 kg) für einen fairen Preis abzunehmen, dann möge sich die Person gerne bei mir melden. (Man kann den Honig zuhause dann ja in kleinere Gläser abfüllen). Das wäre tatsächlich mein größter Wunsch: schleudern, sieben, einlagern und verkauft. Das wäre einfach toll! Damit lässt sich jedoch kein „angemessener“ Preis pro Kilo erzielen, wie er etwa in diesem Artikel von Biene und Natur kalkuliert wird. Hier landet man, den Mindestlohn vorausgesetzt, bei 14,-€ pro Kilo – ohne Vertrieb und Verkauf.
Das ist schon eine ziemliche Kluft zwischen Deutschem Honig und Importhonig… wirklich?
„Durchschnittlicher Preis für Importhonige (in Euro/kg, 2021)“
Wahnsinnige 2,24 € wird durchschnittlich in der EU pro Kilogramm Honig bezahlt. Unangefochten auf Platz 1 rangiert China, wo der Kilopreis für Honig bei 1,32 € liegt, gefolgt von Vietnam und der Ukraine (1,73 €) sowie den südamerikanischen Ländern, etwa Uruguay und Argentinien (2,60 €) oder Brasilien (2,64 €). Das ist mal günstig. Da kann man schonmal nachfragen, ob der deutsche Honig soviel anders ist und der Preis gerechtfertigt ist…
Aus einer anderen Perspektive gefragt: Ist eine deutsche*r Bürger*in bereit, den teureren deutschen Honig zu kaufen, wenn daneben direkt der Bio-Honig offeriert wird, der seinen Ursprung außerhalb der EU hat? Ich würde sagen: Ja, eigentlich schon, zumindest immer mehr. Meines Wissens sind es die großen Abnehmer, die es den Imkern schwierig machen, und Honig bzw. (Neben-)Erwerbsimker*innen in den Direktverkauf zwingen. Dadurch eröffnet sich ein weiteres Tätigkeitsfeld, dass während der Aufnahme der apistischen Tätigkeit nicht zwingend im Bewusstsein war. Als Imker*in will man sich doch nicht auch noch mit dem Vertrieb befassen müssen – musst Du aber, so oder so.
Ein Blick in die EU-Statistik, Teil 2
Auch zum Honigmarkt werden jährliche Statistiken seitens der EU erhoben. In der Imkerei („at the site of production“) liegt demnach der Preis für ein Kilo Honig im Durchschnitt bei 6,22 €. Bei Großhändlern verringert sich der Preis auf 5,28 € pro Kilo. Im Vergleich zum oben errechneten Kilopreis von 14,00 € sind beide Zahlen überaus niedrig. Die genannten Kilopreise (6,22 und 5,28) basieren dabei auf einer Durchschnittsmenge des Honigertrags pro Volk von 35 Kilogramm. Die Kalkulation von Biene und Natur referenziert 10 bzw. 20 Kilogramm. Umgerechnet (mit Dreisatz, was natürlich überhaupt nicht haltbar ist) auf den Referenzwert von 35 Kilogramm pro Volk läge der Kilopreis bei etwa 5,40 €. Es werden jedoch durchschnittliche Fixkosten von 6,90 € pro Kilogramm erwartet. Grundsätzlich liegt hier also eine Diskrepanz vor. Weiter erscheint die Situation – für deutsche Erwerbsimker – vor dem Hintergrund problematisch, dass dieses „Honig“ genannte Lebensmittel auf dem Importmarkt im Schnitt für 2,24 € gehandelt wird.
Mein Fazit – kritisches Reflektieren
In Deutschland liegt die Völkerzahl bei gemeldeten Imkereien im Schnitt bei sieben Völkern. Das ist im Verhältnis zum Durchschnittswert von 21 Völkern in der EU wenig. Zugleich haben wir die größte Menge an gemeldeten Imkereien.
Dies könnte natürlich auch zurückgeführt werden auf ein unterschiedliches Melde- und Erhebungsregister, etwa, dass es nicht unbedingt usus sein muss, dass sich auch kleinere Imkereien mit weniger als zehn Völkern registrieren.
Ein anderer Ansatz könnte sein, dass Bienenhaltung zu einem Symbol unseres „Wohlstandes“ geworden ist, also das wir tatsächlich Bienenhaltung als Hobby betreiben – einfach weil wir es können.
Vielleicht ist es aber auch auf die Komplexität der Bienenhaltung zurückzuführen, ist man doch zugleich Landwirt, Tierhalter, Handwerker, Lebensmittelproduzent und Vertriebler sowie Marketingexperte und anderes mehr. Idealerweise kommt noch Buchhalterwissen und Steuerexpertise dazu und dann ist die Öffentlichkeitsarbeit noch gar nicht vollbracht… und Projekte laufen auch noch nicht. Die Kollegen Boris Bücheler und Edward Obika vom Drohnenschlacht-Podcast, herausgegeben von Biene&Natur, haben in Ihrer neunten Episode die Vielschichtigkeit des imkerlichen und apistischen Handelns vor dem Hintergrund einer Nebenerwerbsimkerei erörtert (Titel der Episode: Imkern im Nebenerwerb – was ist wichtig?)
Antworten und Fragen?!
Ich denke nicht, dass es eine eindimensionale Antwort auf die scheinbar besondere Stellung Deutschlands in der Imkerei gibt. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass jede Imkerei eine individuelle Ausrichtung hat (Makroebene) und auch historisch gewachsene Entwicklungen zu berücksichtigen sind, zum Beispiel im Vergleich der BRD und DDR (Metaebene), kann die Situation in der deutschen Imkerschaft nicht über eine Kamm geschert werden.
Allein schon ob der Differenzierung zwischen Liebhaberei (bis 30 Völker), Nebenerwerbsimkerei (30-70 Völker) mit einer pauschalen Versteuerung und dem sich dann anschließenden Zweig der Berufsimkerei, der etwa von 500 Personen gebildet wird, ist eine sehr spezifische Betrachtungsweise. Die Differenzierung des D.I.B. mit 1 bis 25, 25 bis 50 und mehr als 50 schließt sich dem an. Generalisierend und für alle Mitgliedstaaten händelbar macht es die EU dann mit Ihrer Erhebunsgrenze von 150 Völkern. Die Referenz- und Berechnungsgrößen variieren also und machen einen Vergleich schwierig, insbesondere bei der Honigpreiskalkulation und dem zugrunde liegenden Ertrag pro Volk. Daran müsste sich mal ein Finanzexperte machen…
Zu Hinterfragen bzw. Aufzulegen wäre auch die Melde- bzw. Erhebungsmethode vor dem Hintergrund regionaler und kultureller Besonderheiten: ab wann wird ein Imkereibetrieb gemeldet, was wird national unter Bienenhalter*in, Imker*in, oder Imkerei verstanden und wo werden dann Erhebungsgrenzen gesetzt? Vielleicht reicht es aber auch aus, aus den vorliegenden Zahlen eine deutsche Sonderstellung abzuleiten und sich mit unserem kulturellen Gut bzw. Kulturgut zu beschäftigen.
Literaturtipp: Nobert Scheuer: Winterbienen, 8. Aufl., München 2019.
Auf Basis persönlicher Aufzeichnungen erzählt Norbert Scheuer die Geschichte von Egidius Arimond nach, einem Imker aus dem Urftland, der während der NS-Zeit seine Bienen nutze und mit Ihnen eine Fluchtroute aus der Eifel hinaus ermöglichte.
Ich hab es gerne in der Winterpause geschmöckert.
Zu kaufen unter anderen im Buchhandel Deines Vertrauens oder hier, keine Werbung, kein Affiliate, bei Hugendubel. Da gibts auch noch ein bisschen mehr zum Inhalt.
summa summarum
Aus meiner persönlichen imkerlichen Vita kann ich sagen, dass ab einem Dutzend Völker eine gewisse Professionalisierung einsetzen muss, um den Workload zu bewerkstelligen, eine weitere Professionalisierungsgrenze vermute ich bei 25 und mehr Völkern.
Ich merke für mich, dass ich persönlich gerne meine Zeit in die Bienenhaltung investiere;
sehr gerne nutze ich Möglichkeit, meine Ladies immer besser kennenzulernen und weiter, diese Faszination auch einer interessierten Öffentlichkeit vorzustellen. Dabei imkere ich auch gerne in „Shirt und Shorts“. Ich mag einfach den unmittelbaren Kontakt zum Bien und genieße die Zeit mit den Ladies.
Stand: 06.Februar 2022